Mundart-Initiative servierte moselfränkische Steckelscher mit köstlichem Witz und Grips.
Susanne Retzlaff, Mitarbeiterin der Rhein-Zeitung
Lutzerath. Mindestens zweisprachig sind alle der 16 Mundartisten aufgewachsen, die am Sonntag im voll besetzten Lutzerather Bürgerhaus in Liedern, Gedichten und Gedanken Spezialitäten ihrer Heimat vorstellten. Hochdeutsche Sprachstreifen arbeitete Hermann Biersbach frauenfreundlich in seine Moderation ein, schließlich waren es seiner Erinnerung nach eher die bildungshungrigen Mädchen, die einen Hang zum Hochdeutschen entwickelten. Dabei herrscht bereits auf engstem Eifelraum eine babylonische Sprachenvielfalt. Schon in Kennfus, Lutzerath und Driesch sprechen die Bewohner in unterschiedlicher Zunge, weiß der gastgebende Bürgermeister Günter Welter. Er outete sich bei seiner Begrüßung der rund 180 Hunsricka, Musseler (oder Misseler) und Eefela als Platt schwätzendes Unterhaltungstalent.
Frehjahr, Summa, Herest, Wenda – ein Jahr im Wingert braucht „dä Winzer vom Musseltal“ um den „Weijn en die Flasch ze kreje“, lieblich und klangvoll beschrieben vom Duo „Moselstolz“. Um den Rebensaft wieder heraus zu bekommen bemühten Bärbel Serwazi und Regina Fuhrmann eine höhere Instanz: „Du leever Gott, geff us Weijn“.
Poetische Noten im „goldenische Häärbst“ aus dem Flaumbachtal im Hunsrück ließen Inge und Paul-Heinz Pulger erklingen, als sie „ebbes vom Appelbaam in ihrem Paradies auf de Wies“ verzellten. Musikalische Grüße aus der Eifel überbrachte Josef Oster-Daum: „Sich krank zu lachen macht gesund“ weiß „de Jung vum Land“ seit dem Genuss eines rheinischen Sauerbratens vom 100-jährigen „Päärd“.
Platt schwätze ist das eine, Platt verstehen das andere. Werner Wendel stellte das Publikum auf die Probe. „Bofier jet et hout käan Koutzekäpp mie?“ fragte er. Die von ihm charakterisierten schrulligen, manchmal schwierigen aber immer unverwechselbaren Querköpfe scheinen noch schneller zu verschwinden als die Dorfkneipen, bedauerte er. Man selbst zu bleiben, kann Mut zum Anderssein erfordern, das zumindest hat jeder verstanden.
Warum die gestresste Hausfrau auch bei einer guten „Priddischt“ schon mal kurz „die Andacht“ verliert, erklärte Eva Schäfer. Die „Jedanke äner Kirchjängerin“ sind eben nicht immer im Himmel. Manchmal treiben sie einfach fort, ergänzte Christel Becker. Dann sollte man ihnen auch folgen: Schönes genießen, die Familie vergessen, Schokolade essen. Und zusätzlich berichtete Christel Becker über die früher unvermeidlichen „Pinneschoh“.
Manfred Millen reimte einen amüsanten Rückblick auf den diesjährigen „Antonius-Maat“ in Altstrimmig mit „Sauerei und Sonnenschein“, seine anstrengenden Vorbereitungen und weitreichenden Folgen.
Bodenständige Gedichte mit landwirtschaftlicher Prägung präsentierte Liesel Franz. Die Früchte im „Spätjohr“ kann sie trotz des schwungvollen Kehraus beim „Herbststurm“ auch im „Rentenalter“ genießen, endlich kann sie Hobbys und ihre „kleinen Macken“ pflegen.
Eine Volkskunde mit Vokabelstunde steuerte Gerhard Schommers bei, als er „Ebbes iwwer die Musseler“ verriet. Die gemütliche Mischung aus Römermann und Keltenfrau später französischer Verfeinerung will leben, nicht raffen, auch wenn sie sich mal mit den Mostgewichten verschätzt. Für ihn sind „Feste und Gäste das Beste“.
Die gibt es auch in der Eifel, weiß die fußballbegeisterte Vereinsmutter „Kiefer Maria“ (Maria Diederichs aus Beuren), wie sie zeigte, als sie „Diss und jenes ous Bäiere“ zum Besten gab, wo der regelmäßige Besuch von Heiligenhäuschen (je nachdem, wem man dort begegnet) sogar gegen Kinderlosigkeit hilft. Nach Trikot waschen und Schuhe putzen flog sie mit ihrem Knobelklub nach Mallorca und zog sich sowohl Sonnen- als auch Sangriabrand zu. Reisen ist auch das Thema von Agnes Wilhelmes. Sie war „em land der Äinsamkäät“. Das ist nicht in der Eifel sondern in Finnland. Dort verbrachte sie die Abende mit Rosenkranz statt Fernseher in einer Hütte, umgeben von Wald und Wasser. Selten fühlte sie sich so umschwärmt – von Mücken.
Mit den „aktenkundigen Missetaten“ und legendären Streichen „Kaamder“ Charaktere nahm Peter Stork den Faden der aussterbenden Originale wieder auf , die zufrieden sind, wenn ihr Herz wenigstens so lange schlägt wie sie leben. Eine köstliche Eifelspezialität zelebrierten Johannes Schwall und Rolf Peters. „Die Zwei“ verrieten in ihrer Live-Koch-Show Kartoffel für Kartoffel die Geheimisse des perfekten „Deppekochen“, zu denen Spreck und mindestens zwei Eier gehören. Das Publikum durfte probieren.
„War et schieh?“, fragte Josef Buchholz, der Vorsitzende der Mundart-Initiative im Kreis Cochem-Zell, eher rhetorisch nach mehr als zwei Stunden amünsentem Programm mit jeder Menge Nährwert. Klar. Als Antwort sang der Saal gemeinsam das Lied von der schönen Eifelländerin.