Plattschwätzer besuchten „Brutsch“
Das Erste was Gerhard Schommers, Vorsitzender der Mundart-Initiative im Kreis Cochem Zell e.V., während seiner Begrüßung der fast sechzig Teilnehmer an der „Dorfführung in Platt“ in Bruttig lernen musste war, dass man sich für Plattschwätzer nicht in Bruttig, sondern in „Brutsch“ zusammen gefunden hatte.
Bürgermeister Manfred Ostermann begrüßte ein erwartungsvolles Publikum vor der von Paul Milles, Kottenheim, geschaffenen Basaltsäule mit Brunnen. Diese eindrucksvolle Anlage gedenkt dem großen Sohn von Bruttig, dem Humanisten Petrus Mosellanus (1493-1524) und der ersten urkundlichen Erwähnung von „Pruteca“ in einer Schenkungsurkunde des Königs Zwentibold im Jahr 898. Die drei Brunnentröge zeigen in eindrucksvoller Weise die Arbeiten im Weinberg und im Keller, aber auch das Weingenießen beim Feiern mit Musik und Tanz. Es war dann Gelegenheit, das mächtige 1619 erbaute „Alte Rathaus“ nicht nur von außen zu bewundern sondern auch einen Blick in die geräumigen Säle im ersten und zweiten Stockwerk zu werfen.
Die Moselfront von Bruttig ist geprägt von prachtvollen Bürgerhäusern – Fachwerk mit Schwebegiebel, barocke Fassaden aber auch Neubauten, die sich dem Gesamtbild sehr gut anpassen. Höhepunkt des Häuser-Panoramas ist mit Sicherheit das 1659 erbaute „Schunk’sche Haus“. Der derzeitige Besitzer, ein Neubürger, Immobilien- und Kunsthändler, gab der großen Gruppe Gelegenheit auch die prachtvollen und im Original erhaltenen Innenräume im Erdgeschoss und in der ersten Etage zu besichtigen. Nicht nur die zahlreichen schön platzierten Antiquitäten, auch die prachtvollen Kamine, die „Kölner Decken“ und insbesondere die eindrucksvolle Wendeltreppe faszinierten die Besucher.
Unübersehbar in Bruttig ist der mächtige Bahndamm, der das Dorf durchschneidet.
Als kurz vor dem 1. Weltkrieg die „strategische“ Zusatz-Bahnlinie auf der rechten Moselseite geplant und der Bau gestartet wurde, fand man damals unglücklicher Weise keinen anderen Weg als den Damm mitten durch den Ortskern von Bruttig zu bauen. Und obwohl die Bahnstrecke nie fertig gebaut wurde, stören die mächtigen Mauern bis heute das Ortsbild. Bruttig könnte seine innerörtliche Gemeindefläche
um rund 6.500 m2 vergrößern, wenn die Bahn ihrer Verpflichtung nachkäme, das unnötige Bauwerk abzutragen.
Ein weiter Höhepunkt des Rundgangs war der Besuch der Synagoge. Die jüdische Gemeinde hatte 1835/36 auf dem ehemaligen Pfarrkeller ihr Gebetshaus gebaut.
Nachdem die jüdische Gemeinde bis auf wenige Mitglieder geschrumpft war, wurde die Synagoge in den 1920er Jahren aufgegeben und im Frühjahr 1938 an einen Privatmann verkauft. Sie wurde deshalb auch in der Progromnacht, am 09. November 1938, nicht zerstört. 2005 erwarb die Gemeinde Grundstück und Gebäude, und mit viel Eigenleistung und finanzieller Hilfe des Denkmalamtes wurde eine wunderbare Kulturstätte geschaffen. Beim Besuch der Synagoge konnte nur ein Teil der Geschichte vermittelt werden. Es wird empfohlen, einen ausführlichen Besuch beim Tag des offenen Denkmals am 2. September-Sonntag vorzunehmen.
Schlusspunkt war der Besuch der 1847 fertiggestellten und im neuromanischen Stil erbauten Pfarrkirche „St. Margaretha“.
Die Besucher waren erstaunt von der Größe und der prachtvollen Ausstattung der Kirche. Manfred Ostermann gelang es auch nach fast drei Stunden Rundgang mit unendlich vielen Informationen die Aufmerksamkeit der Besucher zu erhalten. Man kann feststellen, Manfred Ostermann ist das „Gedächtnis“ von Bruttig.
Voller schöner Eindrücke schloss ein „harter Kern“ der Teilnehmer den von gutem Wetter gesegneten Abend in einem Bruttiger Winzer bei gutem Wein und Essen ab.
Gerhard Schommers